Ebro, Bilbao & Bordeaux …

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Während der FC St. Pauli in den Monaten September bis November den wohl „erfolgreichsten“ Fußball der letzten Jahre zelebrierte, verzog sich der „Präsi“ mit Freundin und Sohn für eine längere Zeit Richtung Südeuropa. Das Lösungswort dieser Reise hieß Elternzeit. Wann bekommt man schonmal die Möglichkeit für so lange Zeit das kalte und nasse Grau in Hamburg gegen spätsommerlichen Sonnenschein in wärmeren Gefilden mit Meerblick einzutauschen. Und so machten wir es wie die vielen wohlhabenden deutschen Rentner, die sich mit ihren vollautomatischen 12+m langen Wohnmobilen über die Wintermonate an der spanischen Mittelmeerküste niederlassen.

Treuer Begleiter für die 2 Monate war das AFM-Radio. Übermittelte es uns doch Spieltag für Spieltag live und mit viel Emotionen eine Klatsche nach der anderen. Während dieser Übertragungen wurde der Spielplan in Frankreich und Spanien gecheckt und mit unserer Reiseroute abgeglichen. Verpassten wir in Valencia noch das Spitzenspiel zwischen Valencia CF und dem FC Barcelona, so wurden wir in Saragossa mit einem richtigen „Highlight“ beglückt! CD Ebro gegen Levante II in der Segunda B. Ebro, seinerzeit sogar noch Tabellenführer gegen den Letzten aus Levante. Fussballerischer Leckerbissen par excellence. Das Stadion Campo Municipal de Fútbol La Almozara-El Carmen liegt im Stadtteil La Almozara und hat ´ne Kapazität von 1.000 Zuschauern. Ganz netter Sportplatz mit saftigen Eintrittspreisen. 12 Euro für das Ticket (ohne Sitzplatzanspruch), dafür gab es das Bier und spanische Leckereien für schmale 1,50 Euro. Die aktive Fanszene von Ebro (bestehend aus ca. 10 Leuten, 1 Trommel und 2 Flöten) haute vorm Spiel ´ne kleine Choreo raus und dann begannen auch schon 90 unglaublich zähe Minuten. Das hier und heute der 1. gegen den Letzten auf dem Platz stand, war überhaupt nicht zu erkennen. Eher im Gegenteil. Levante wirkte spielerisch um einiges fitter als der Gastgeber und ging letztlich als verdienter Sieger vom Platz. Wann genau das 0:1 fiel, weiß ich gar nicht mehr. Muss irgendwann in der zweiten Halbzeit gewesen sein. Beim Verfassen dieses Textes hab ich nochmal schnell die Tabelle (Stand 28.11.) gecheckt – inzwischen sieht das Ganze etwas anders aus. Seit dieser Niederlage gegen Levante hat Ebro alles verkackt und ist im Moment 9. Levante hat sich vom letzten Platz verabschiedet, allerdings bestehen immer noch akute Abstiegssorgen.

Das zweite Spiel unserer Reise hörte sich schon vielversprechender an. Ein baskisches Derby zwischen Athletic Club Bilbao und Osasuna Pamplona im Stadion San Mamés in Bilbao. Derby hört sich ja immer so „wow“ an, dabei gibt es inzwischen in der ersten spanischen Liga 5. Mannschaften aus dem Baskenland und demnach 4 Derbys für jedes Team. Neben den beiden genannten Mannschaften aus Bilbao und Pamplona spielen noch Real Sociedad San Sebastián, SD Eibar und Deportivo Alavés in der La Liga Santander. Ich habe mir sagen lassen, dass all diese Spiele untereinander immer sehr freundschaftlich verlaufen. Klar gibt es sowas wie eine sportlichere Rivalität, aber das Bierchen vorm Stadion trinkt man oft und gerne gemeinsam. Und so konnte man an diesem sonnig warmen Herbsttag auch einige Fans aus Pamplona gelassen vor diversen (hauptsächlich mit Athletic Fans besetzten) Kneipen sitzen sehen. Alles ganz entspannt. Ich traf mich vor dem Spiel mit Jabi, dessen Kontakt ich freundlicherweise von einem User aus dem St. Pauli-Forum bekommen habe. Günstige Karten für Bilbao zu bekommen, ist fast unmöglich – bei 45.000 verkauften Dauerkarten auch irgendwie nachvollziehbar. Das musste ich leider auch feststellen, als ich den Online-Ticketshop von Bilbao einige Zeit vor dem Spiel betrat. Verfügbar waren noch VIP-Tickets für 180,00 Euro. Alle anderen Karten standen erstmal nicht zum Verkauf oder waren halt weg. Dank Jabi, durfte ich dann für schlappe 20,00 Euro das Stadion betreten. Er erzählte mir auch, dass man sich kurz nachdem Neubau des Stadions einen Listenplatz (um eine Dauerkarte zu bekommen) beim Verein erkaufen musste – für schlappe 1000 Euro! Mit diesem Listenplatz erkaufte man sich quasi erstmal nur die Möglichkeit überhaupt an eine Dauerkarte zu kommen. Die eigentlich Karte, wenn man denn eine bekam, war damit aber noch nicht bezahlt. Kapitalismus for its best! Die Gelassenheit der Spanier vor einem Fussballspiel muss man erstmal haben. Aufgrund eines strikten Alkohol- und Rauchverbots im Stadion, wird bis zur letzten Minute vorm Stadion gebechert. An guten Tagen stopft man sich noch 1-2 Bierdosen in die Socken und hofft das der Sicherheitschef am Eingang ´nen guten Tag erwischt hat und seinen Körpercheck oberhalb der Kniescheibe beendet. Bei uns ging alles gut und so standen wir mit dem Anpfiff des Spiels und ein paar Dosen Bier auf unseren Plätzen. Im Heim-/Supportblock der Herri Norte Taleda war von Beginn an ganz gut Bewegung und auch das Spiel auf dem Rasen sah sich gut an. Ich bin jetzt kein großer Taktikfuchs, aber was mir von Anfang an sofort auffiel – wie gut Fussball aussehen kann, wenn man ein funktionierendes Mittelfeld hat. Ich hatte es schon ganz vergessen! Bilbao machte ordentlich Dampf und hatte zu Beginn einige gute Chancen. Gefühlt mit dem ersten Eckball ging Pamplona dann aber Mitte der ersten Halbzeit in Führung. Diese Führung hielt allerdings nur gute 5 Minuten bis Bilbao zum Ausgleich kam. Danach war es über die restliche Spielzeit ein Spiel auf ein Tor – nämlich das von Pamplona. Bilbao ließ echt die ein oder andere 100%ige Torchance zum 2:1 liegen und musste sich dann letztlich mit ´nem enttäuschenden 1:1 zufrieden geben. Das Stadion leerte sich nachdem Abpfiff rasant! Nach 1-2 weiteren Abschlussbierchen verabschiedete ich mich dann von Jabi & seinen Freunden, bedankte mich artig für die angenehme Zeit und verließ das Zentrum von Bilbao wieder Richtung Campingplatz, der etwas außerhalb direkt am Atlantik lag!

Unsere letzte Station vor der Rückkehr nach Hamburg war dann Bordeaux. Der Fussballgott meinte es wieder sehr gut mit uns und schenkte uns an einem Samstag Abend um 20.00 Uhr ein Spiel von Girondis gegen den FC Lorient. Drei Mal dürft ihr raten – jawohl Tabellenletzter aus der Bretagne. Vom Papier her also alles andere als ein Spitzenspiel. Girondis Bordeaux spielt seit 2015 im neugebauten Stadion Stade Matmut-Atlantique, was am Stadtrand von Bordeaux liegt! Das Stadion ist für die EM 2016 gebaut worden und seit dem auch Heimat von GB. Schön ist es nicht. Wirkt irgendwie lieblos und kalt und ist keinen Meter mit dem Charme des alten Stadions in Bordeaux zu vergleichen. Das alte Stadion Stade Jacques Chaban-Delmas ist heute nur noch Heimspielstätte der Rugby-Truppe aus Bordeaux. Ich nutzte am Nachmittag die Zeit um mir das alte Stadion nochmal anzugucken, in dem „Fussballergrößen“ wie Lizarazu, Sagnol & Co. gekickt haben. Wirklich schick! Zum Spiel selbst am Abend war ich schon relativ früh am Stadion. Alles mal ganz in Ruhe anschauen, den riesigen Fan-Shop besuchen und Fotos machen. Bei diesem Gegner war klar, dass das Stadion nur sehr dürftig gefüllt sein wird. Der Zuschauerdurschnitt liegt irgendwo bei 18.000, lediglich bei Spitzenspielen gegen Paris oder Marseille ist die Hütte mal einigermaßen voll. Das heutige Match gegen Lorient wollten letztlich so um die 15.000 Zuschauer sehen – davon ein prallgefüllter Gästeblock mit ca. 30 Leuten! Der einzige Bereich, der einigermaßen gut besucht war, war die Virage Sud! Kurve der Ultramarines Bordeaux 1987. Bekannte Melodien begleiteten fast ununterbrochen das Spiel auf dem Rasen, im restlichen Teil des Stadions herrschte Langeweile! Was mir im Stadion auffiel, war das unglaubliche Angebot an Fressalien inkl. stadioneigene Pizzeria. Allerdings mit ziemlich gepfefferten Preisen. Für ein alkoholfreies Bier und ´ne Portion Fritten musste ich mal eben 11,50 Euro auf den Tresen legen. Girondis Bordeaux gewann das Spiel gegen den FC Lorient mit 2:1. Kamano brachte den Gastgeber Mitte der ersten Halbzeit in Führung. Ein blitzsauberes und selten dämliches (sorry, für den Ausdruck) Eigentor von Prior/Contento brachte in der 62 Min. den Ausgleich für Lorient, ehe Rolan mit einem genialen Seitenfallzieher das Siegtor für Bordeaux erzielte. Nachdem Treffer war mal kurzzeitiges Durchdrehen im Stadion zu erleben. Ansonsten hat dieser Besuch leider keinen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen. Weder Lizarazu & Co. liefen mir über den Weg, noch war das ganze Drumherum etwas, was ich mir in absehbarer Zeit nochmal geben könnte! War nett, mehr aber auch nicht!

kiezkieker #92

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